Milena Preradovic: Die Straße der lustigen Witwen

Milena Preradovic hat über viele Jahre TV-Geschichte geschrieben. Jetzt liefert sie Geschichten, die das Leben schreibt - in ihrer Kolumne "Milenas 50 plus".

Milena Preradovic – TV-Moderatorin und Fernsehjournalisten – © Heli Mayr

Milena Preradovic (56) ist der Prototyp einer Powerfrau. Über Jahre war die wortgewandte und schlagfertige Gelsenkirchenerin eines der bekanntesten Fernsehgesichter Deutschlands.

Unter anderem kennt man sie als Aushängeschild der bunten, informativen Show „Punkt 12“ (RTL). Mit ihrer lockeren Art revolutionierte sie die bis dahin beschaulichen, angestaubten Mittagsmagazine im deutschen Fernsehen.

In ihrer Kolumne „Milenas 50 plus“ setzt sie sich humorvoll mit dem Thema Älterwerden auseinander. Nicht wenige werden sich in Milenas Geschichten und Beobachtungen wiederfinden.

Die Straße der lustigen Witwen

Letztens im Garten einer älteren Freundin. Wir trinken gemütlich Kaffee. „Das hier ist die Straße der Witwen“, sagt sie plötzlich. „Hier leben alle Frauen alleine“.

„Oje, das tut mir leid“, erwidere ich. Da sieht sie mich belustigt an:“ Wieso? Die sind doch heilfroh!“ Damit habe ich nicht gerechnet. „Du auch?“ frage ich überrascht? „Naja, ich wollte mir gerade eine eigene Wohnung mieten, als mein Mann krank wurde.“

Bis dass der Tod uns scheidet. Haben die reifen Ladies nach der Beerdigung heimlich gefeiert? Mit High Heels und Dom Perignon Rosé vor dem Spiegel angestoßen? Auf Tschinderassa bum und Bumsfaldera?

Nein, wahrscheinlich nicht. Sie mussten ihr Singleleben ja erst kosten, bevor es Ihnen schmecken konnte. Und das neue Glück braucht mehr Mut als das alte Elend. Wie beim betagten Löwen, der nach quälenden Entbehrungen im engen Käfig zögernd die Tatze auf frisches Gras setzt.

Die „Straße der lustigen Witwen“ mag nicht repräsentativ sein, aber ich frage mich doch: Was sagt das über die Langstrecken-Ehe aus? 40 Jahre nebeneinander Gang und Fenster – gestartet in der First und gelandet in der Holzklasse? Und waren die verblichenen Gatten genauso entmutigt und enttäuscht vom Bordservice?

Die meisten Nonstop-Paare, die ich kenne, strahlen weniger Unglück als routinierte Gleichgültigkeit aus – nach vier Dekaden gibt’s halt keine Geheimnisse mehr. Da kenntste jeden Furz des anderen, jaja, das meine ich durchaus wörtlich. Da sitzt jeder intime Handgriff so gedankenfrei wie bei der Aldi-Kassiererin nach acht Stunden Plackerei.

Spaß macht das nicht mehr, aber wer hat schon die Chancen eines Thomas Gottschalks, jenseits der Pensionierung noch einen echten Schuss abzukriegen? Und so bleibt alles beim Alten oder der Alten.

Hatte die italienische Gemüseverkäuferin recht, als sie kürzlich zwischen Zucchini und Pflaume vehement für eine Zwangsscheidung mit 70 plädierte?
Oder gibt’s doch noch einen Weg raus aus Frust und Schweigen?

Wenn ich die wenigen heiteren Perma-Paarungen in meiner Umgebung betrachte, dann fällt mir eines auf. Sie kommunizieren, sie interessieren sich für die Gefühle des anderen.

Und sie nerven nicht mit schlechten Gewohnheiten, sie machen Running-Gags daraus. One Lacher a day keeps the Langeweile away. Wir alle lieben diese Fotos von alten Menschen, die sich nach 70 Jahren zärtlich an der Hand halten.

Wir brauchen die Hoffnung, daß es gut gehen kann. Kann es auch – aber wahrscheinlich ist es wie bei allen großen Karrieren: 10 Prozent Talent, 10 Prozent Glück – der Rest ist Arbeit….und Optimismus, der einem im Tal die Hand reicht und auf dem Weg zum Gipfel permanent in den Arsch tritt.

Herzlichst

Ihre Milena Preradovic

 

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